Wenn Scham dich schützt – meine Erfahrung mit „Provokativem Coaching“
- Hardy Kistner
- 13. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Es gibt Themen, über die man nicht gerne schreibt.
Eines davon ist Scham.
Und doch möchte ich heute genau darüber schreiben – weil ich in einer Fortbildung erlebt habe, wie kraftvoll und gleichzeitig schmerzhaft dieses Gefühl sein kann.
Die Neugier
Ich war neugierig.„Provokatives Coaching“ – das klang spannend, mutig, lebendig.
Ich arbeite seit fast 30 Jahren mit Improvisation und dachte: Das passt zu mir.
Also meldete ich mich an.
Drei Tage, gebucht und bezahlt, offen für Neues, bereit, mich einzulassen.
Der Raum war voller Energie. Es wurde gelacht, geneckt, provoziert.
Alles war laut, direkt, herausfordernd – so, wie es angekündigt war.
Der Moment, in dem es still wurde
Am zweiten Tag meldete ich mich für eine sogenannte „Live-Arbeit“.
Ich wollte mutig sein, mich zeigen.
Doch in mir wurde es plötzlich still.
Ich spürte, wie sich etwas in mir zusammenzog.
Die Trainerin bohrte hier und da – provokativ, aber ohne Leichtigkeit, ohne Humor.
Und plötzlich war der Boden unter mir weg.
Freier Fall.
Da ging nichts mehr auf. Da war nur Scham.
Scham, weil ich nicht locker genug war.
Scham, weil ich dachte, ich müsste „mehr aushalten können“.
Scham, weil ich merkte: Das trifft mich – aber nicht heilend.
Ich verstummte. Komplett.
Für die Trainerin war es offenbar ein gelungenes Beispiel, wie das Konzept funktioniert.
Für mich war es ein Albtraum.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so beschämt gefühlt habe.
Es war die Hölle – und ich musste gehen.
Erkenntnis mit Abstand
Es hat lange gedauert, bis ich aus diesem Loch wieder herauskam.
Erst viel später verstand ich:
Nicht jede Methode ist für jeden Menschen richtig – auch nicht für mich.
Und das ist keine Schwäche.
Manchmal ist Scham kein Zeichen von Widerstand, sondern von Selbstschutz.
Sie hat mir gezeigt, wo meine Grenzen liegen.Und wo Sicherheit fehlt, kann keine echte Entwicklung geschehen.
Sicherheit habe ich in diesem Moment nicht gespürt.
Die Lektion
Heute weiß ich für mich:
Mein Weg führt nicht über Provokation, sondern über Präsenz.
Nicht über Konfrontation, sondern über Verbindung.
Und vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis dieser Erfahrung:
Niemand hat das Recht, in deinem Garten zu wildern.
Du hast jedes Recht, sie hinauszuwerfen –auch wenn du sie anfangs eingeladen hast.
Fazit
Diese Fortbildung war für mich weder heilend noch erhellend.
Aber sie war ehrlich.Und sie hat mir gezeigt, dass ich überlebt habe – und klarer denn je weiß: Nicht nochmal.
💭 Kennst du das Gefühl, in einer Situation zu sein, in der du dachtest: „Das müsste ich doch aushalten können“ – und dann zu merken, dass dein Inneres etwas anderes sagt?Vielleicht ist das kein Scheitern, sondern ein Akt von Selbstschutz.